Verleihung des Gerhard Postel Naturschutzpreises an Gerd Kümmel am 05.03.2017 im Storchenzentrum in Bornheim

LAUDATIO

von Rolf Wambsganss

Zu der Ehre, die Laudatio für den Preisträger Gerd Kümmel halten zu dürfen, bin ich gekommen, weil ich vermutlich sein ältester Weggefährte bin. Es sind jetzt annähernd 40 Jahre her, dass wir uns zum ersten Mal begegneten. Aus dieser Begegnung ist im Laufe der Jahrzehnte eine Freundschaft geworden.
Ich werde jetzt nicht auf seinen Werdegang beim NVS vom Mitglied zum Fachreferenten über den 2. zum I. Vorsitzenden und jetzt zum Ehrenvorstand berichten. Vielmehr möchte ich aus der Erinnerung heraus das hervorheben, lieber Gerd, was dich über all die Jahre bewegt hat und was du in dieser Zeit im heimischen Naturschutz bewegt hast.
Ein Gedächtnisprotokoll ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Begonnen hat es mit deiner Liebe zu den heimischen Amphibien. Durch eine Zufallsbegegnung mit einer Biologin an den Jockgrimer Tongruben, die dich mit den selteneren Arten unserer heimischen Amphibien bekannt machte, wurde dein Interesse an den Frosch- und Schwanzlurchen geweckt. Damals war die Artenvielfalt dieses Biotops noch größer als heute, selbst Gelbbauchunken lebten noch in seinen Flachwasserzonen. Und wie es deiner Art entspricht, hast du dich intensiv mit diesen Tierarten befasst und dabei festgestellt, dass die meisten von ihnen auch damals schon durch den Verlust von Lebensräumen stark gefährdet oder gar vorn Aussterben bedroht waren. Dir war sofort klar, da muss etwas geschehen.
Und so entstanden in der Folge in der Bruchbach-Otterbachniederung zwischen Kandel und Freckenfeld und im Erlenbachtal beiderseits des Oberbuschwaldes einige der schönsten und wertvollsten Biotope der Südpfalz für Laubfrosch, Kammmolch, Wechselkröte & Co. Paradiese aus zweiter Hand, wie wir damals sagten, von denen auch viele Insektenarten wie Wasserkäfer und verschiedene Libellen und Vogelarten wie Teich- und Sumpfrohrsänger und die Rohrammer profitierten.
Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass du tatkräftige Unterstützung durch Ortsgruppen des NVS erfahren hast, dabei soll insbesondere die OG Minfeld Erwähnung finden. Auf die Beschaffung der finanziellen Mittel für Grundstückserwerb, Baggerarbeiten und weitere Kosten will ich gar nicht im Einzelnen eingehen. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang nur die Stiftung Natur- und Umweltschutz Rheinland-Pfalz und die Schatzmeisterin der OG Kandel des NVS Sigrid Schweers.
Aber letztendlich waren es deine Tatkraft, dein Organisationstalent und dein beharrlicher Wille, die trotz vieler Schwierigkeiten und Widerstände dafür sorgten, dass der Laubfrosch heute wieder im Otterbachtal und im Erlenbachtal ruft. Die Feuchtbiotope, die in der Bruchbach-Otterbach-Niederung durch deine Initiative entstanden sind werden jetzt auch in das Naturschutzgroßprojekt Bienwald integriert.
Unter deiner Regie entstanden weitere wertvolle Lebensräume in Form von Feuchtbiotopen, Streuobstwiesen, Trockenmauern und Orchideenwiesen in der gesamten Südpfalz, auf die ich jetzt aus zeitlichen Gründen im Einzelnen nicht eingehen kann, was mir bei der Vielzahl auch ziemlich schwer fallen würde. Selbst im Pfälzerwald, im Quellbereich des Potzbaches, entstand unter deiner Führung in Zusammenarbeit mit dem damaligen Forstamt Bergzabern ein Feuchtbiotop, das sich zu einem wertvollen Laichgewässer für u. a. Bergmolche und Feuersalamander entwickelte. Ich weiß, dass Feuersalamander lebendgebärende Tiere sind und nicht ablaichen, aber mir fällt jetzt kein besserer Begriff für dieses Gewässer ein, an dessen Rand wir übrigens die seltene gerandete Jagd- oder Listspinne beobachten konnten. Diese große Spinne ist mir erst zwei Mal begegnet, beide Male im Pfälzerwald.
Bei vielen dieser Projekte wurde dir auch die wohlwollende Unterstützung kommunaler Behörden zuteil, wie z. B. die der Kreisverwaltung Germersheim, der Kreisverwaltung SÜW und der Verbandsgemeinde Kandel. Bei all diesen Körperschaften warst du ein gern gesehener Partner und Berater in Sachen Naturschutz. Vermutlich bist du es auch heute noch.

Dein Engagement im heimischen Fledermausschutz muss aber unbedingt noch erwähnt werden. Gemeinsam mit dem Experten und unserem Freund Heinz Wissing und dem leider viel zu früh verstorbenen Franz Grimm hast du in der Süd- und Südwestpfalz Felsenhöhlen, Bergwerkstollen und ehemalige Eiskeller sichergestellt und gegen ungebetene Eindringlinge abgesichert und damit wertvolle und dringend benötigte Winterquartiere für unsere gefährdeten Fledermausarten erhalten oder neu geschaffen. Auch hier stand man wieder im Wettbewerb mit anderen Interessen. Beispielhaft dafür ist die ehemalige Eisenerzgrube Petronella bei Bad Bergzabern, die uns viel Arbeit, Mühe und Ärger bereitete. Es gab starke Bestrebungen, das ehemalige Bergwerk für den Tourismus zu öffnen. Aber deine sprichwörtliche Beharrlichkeit und deine Überzeugungskraft führten auch hier wieder zum Ziel. Die Petronella ist heute eines der bedeutendsten Winterquartiere für Fledermäuse in der Region.
Ausgesuchte Teile des Bienwaldes hast du mit Fledermauskästen und Vogelnistkästen bestückt. Unvergesslich unsere jährlichen spätsommerlichen oder frühherbstlichen Kontrolltouren mit Heinz Wissing, der uns mit den einzelnen Fledermausarten und ihrer Biologie vertraut machte und unsere Begegnungen mit Haselmäusen, Gelbhalsmäusen und anderen Höhlenbewohnern.

Noch einen Höhepunkt deiner Naturschutzlaufbahn will ich zum Schluss hervorheben.:

Irgendwann in den 80ern des letzten Jahrhunderts entdeckte der Wasservogelexperte des NVS H. J. Schygulla auf einer Insel in einem Baggersee in der Daxlander Au bei Neuburg ein brütendes Paar Flussseeschwalben. Das war insofern eine kleine Sensation, weil die Flussseeschwalbe bis dahin in Rheinland-Pfalz als ausgestorben galt. Als Gerd Kümmel davon erfuhr, nahm er die Sache sofort in die Hand. Er hatte gleich Vorstellungen von einem Wiederansiedlungsprojekt. Dies begann damit, dass wir nach der Brutzeit als die Flussseeschwalben auf dem Weg ins Winterquartier in Afrika waren, versuchten die Insel vom Bewuchs der Kanadischen Goldrute zu befreiten. Die Seeschwalben sind bodenbrütende Vögel und wollen freie Sicht. Aber so leicht lässt sich die Goldrute nicht vertreiben. In den Folgejahren arbeiteten wir mit Teichfolie und Kies. Das Material musste mit dem Ruderboot auf die Insel verbracht werden, wobei es auch schon einmal vorkam, dass einer über Bord ging und das nicht bei angenehmen sommerlichen Temperaturen. Leider waren unsere Bemühungen nicht sehr erfolgreich.

Aber so leicht gab unser Gerd Kümmel nicht auf. Nachdem er erfuhr, dass man andernorts mit so genannten Kunstinseln erfolgreich war, war dies der nächste logische Schritt. Eine Herkulesaufgabe, nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch was die Manpower anbelangt. Ich will jetzt auch hier aus zeitlichen Gründen nicht auf die jährlichen umfangreichen, zeit- und personalaufwändigen Arbeitseinsätze eingehen, aber erwähnen muss ich das Kiesabbauunternehmen und seinem dortigen Betriebsleiter Rolf Pfirrmann – auch NVS-Mitglied und eifriger Naturschützer–, die uns tatkräftig unterstützten und sehr geholfen haben. Dr. Peter Keller, langjähriger Vorsitzender der GNOR „Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz„ und Leiter des Naturschutzgroßprojektes Bienwald hat, wie er mir selbst berichtete, dort seine ersten Erfahrungen in praktischer Naturschutzarbeit gemacht und Gerd Kümmel war, wie er mir außerdem versicherte, damals sein großes Vorbild im Naturschutz.

Auch bei diesem Projekt verfolgte Gerd sein Ziel mit der ihm eigenen Beharrlichkeit und Willenskraft. Im Laufe der Jahre entstanden so insgesamt 4 Kunstinseln mit einer steigenden Anzahl brütender Flussseeschwalben. Am Ende wurden bis zu 40 flügge Jungvögel in einer Brutsaison gezählt. Dafür durfte Gerd auch den mit einem größeren Geldbetrag dotierten Umweltpreis des Bezirksverbandes Pfalz für den NVS entgegennehmen. In gleicher Weise wurde auch das Kies-Bagger-Unternehmen geehrt, das seine Geldprämie dem NVS spendete.
Dies war übrigens die einzige Flussseeschwalbenkolonie in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland.
Ich könnte noch so viel über unseren Preisträger und seine Naturschutzaktivitäten berichten, wie z. B. über den unter seiner Leitung entstandenen großen, sehr arbeitsintensiven Amphibienzaun bei Spirkelbach und dessen jahrzehntelange Betreuung, seine Mitwirkung im Wanderfalken- und auch im Storchenschutz, aber ich glaube das bisher gesagte reicht aus, um das Lebenswerk dieses Mannes erkennbar zu machen.
Soviel sei noch gesagt. Das, was der NVS heute ist, verdankt er zum großen Teil Gerd Kümmel.
Es ist nicht nur die Liebe zur Natur im Allgemeinen sondern auch die Liebe zur südpfälzischen Heimat, die ihn so motivierte. Obwohl er einen „Migrationshintergrund“ hat – seine Wurzeln liegen in Hessen und einen Großteil seines Lebens verbrachte er in Nordrhein-Westfalen –.
Es war die Liebe, die Liebe zu seiner leider viel zu früh verstorbenen Lebensgefährtin Doris, die ihn in die Pfalz – genau genommen nach Kandel – geführt hat. Sie war es auch, die ihn mit der Schönheit der pfälzischen Landschaft vertraut gemacht hat. Ich kenne keinen „eingeborenen“ Pfälzer, der sich besser im Pfälzerwald, im Bienwald und in den pfälzischen Rheinauen auskennt als Gerd.
Nicht vergessen darf man auch seine Leidenschaft für das Fotografieren. Unzählige schöne und beeindruckende Natur- und Landschaftsaufnahmen entstanden durch seine Kamera und dies auch schon vor dem digitalen Zeitalter. Etliche seiner Aufnahmen fanden Eingang in die Fachliteratur wie z. B. in das zweibändige Werk der GNOR über die Amphibien und Reptilien in Rheinland-Pfalz.