Redebeiträge zum Projektstart am 01.09.2016

Kurt Garrecht: Vorsitzender des Naturschutzverbandes Südpfalz

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Becht,
sehr geehrter Herr Hess,
sehr geehrter Herr Präsident Hartelt,
sehr geehrter Herr Hörner,
sehr geehrte Damen und Herren,

Vorab gilt es ein Danke den Organisatoren dieses Pressegespräches auszusprechen, unserem Gastgeber, Reinhold Hörner, aber auch Frau Ziegler, Herrn Roeser, Herrn Hartmann und all den anderen ungenannten aus den Reihen der BASF, dass dieser Termin hier und heute stattfinden kann.

Ein ganz besonderer dank gilt auch allen MitstreiterInnen der „Biodiversitätsregion Südpfalz“, auch hier angefangen bei Herrn Reinhold Hörner, dem Vorsitzenden des Bauern- und Winzerverbandes des Kreises Südliche Weinstrasse samt seinen Mitstreitern, den Herren Roeser, Hartmann und Dr. Gerber von der BASF, Frau Horix, vom Umwelt- bzw. Agrarministerium, und dem Team des DLR in Neustadt unter Leitung von Herrn Dr. Trapp und allen, die noch mitgemacht haben und beteiligt sind und hier erlauben Sie mir auch den ehrenamtlichen Mitstreiterinnen aus den Reihen des NV-S zu danken, exemplarisch seien hier Rainer Tempel, Kurt von Nida und Dieter Zeiss von unserer Stiftung „zum Schutz von Landschaft und Natur in der Südpfalz“ genannt, die nicht nur das Vogelmonitoring „stemmen“ sondern auch im Hintergrund wertvolle Arbeit für das „Biodiversitätsprojekt Südpfalz“ leisten.

Der Anfang ist gemacht und die Richtung stimmt das Leuchtturmprojekt „Biodiversitätsregion Südpfalz“ ist gestartet.

Wir vom Naturschutzverband Südpfalz und unsere Stiftung begrüßen die rasamte Entwicklung, die die Idee zur Bildung einer „Biodiversitätsregion Südpfalz“ genommen hat. Ausgehend von der Anfrage der BASF an unsere Stiftung mit der Bitte um Kooperation, haben wir den Ball weitergespielt an den Bauern- und Winzerverband, da ein Leuchtturmprojekt nur dann entstehen kann, wenn viele Akteure teilnehmen.

Der Naturschutzverband sowie die Stiftung „zum Schutz von Landschaft und Natur in der Südpfalz“ unterstützen das Engagement der Landwirte, auf ihren Ackerflächen ein- oder mehrjährige Blühstreifen im Zuge von Greening- Maßnahmen anzulegen. Wir begrüßen die Bereitschaft so vieler Landwirte, diesen Mehraufwand, der mit der Ansaat einhergeht, in Kauf zu nehmen und so zum Gelingen dieser „Biodiversitätsregion Südpfalz“ beizutragen.

Die vermehrte Nachfrage von Imkern nach Standplätzen für ihre Bienenstöcke in der Nähe solcher Flächen zeigt, welchen ökologischen Wert diese Maßnahmen haben.

Als Naturschützer wollen durch unser ehrenamtliches Engagement im Zuge des Vogelmonitoring die Vogelbestände vor Ort erfassen und dem Projekt zur Auswertung zur Verfügung stellen. Somit können wir die tatsächliche Vogelfauna vor Ort feststellen. Dies insbesondere im Hinblick auf die des Winterhalbjahres, wenn die Zugvögel in der Südpfalz Rast einlegen oder gar hier überwintern sollten. Natürlich ist es für uns Naturschützer aufregend, wenn wir somit zu den Ergebnissen der Profis beitragen können, die projektbegleitend ausgewählte Insektengruppen wie Wildbienen, Laufkäfer, Spinnen untersuchen.

Ebenso wichtig ist es uns, am runden Tisch zusammen mit Landwirten und Fachleuten die Ergebnisse zu interpretieren und daran mitzuarbeiten, praktikable Schritte zur Förderung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu entwickeln.

Das Projekt „Biodiversitätsregion Südpfalz“ ist als sog. Leuchturmprojekt gut gestartet. Wir erhoffen uns für die Zukunft, dass noch mehr Landwirte und auch Winzer einsteigen und quasi auf Kurs gehen. Die Greeningprämie, ökologisch optimal eingesetzt, schlägt positiv zu Buche durch ein Plus an Bestäubungsarbeit durch wildlebende Insekten, die in den letzten Jahren sehr deutlich zurückgegangen ist.

Die Wahrnehmung des Projektes samt seiner Akteure wird in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden. Zusammenfassend betone ich, dass ein Leuchtturmprojekt wie das der „Biodiversitätsregion Südpfalz“ seine Funktion als Wegweiser nur dann erfüllen kann, wenn alle sich einig sind und mit anpacken.

Deshalb sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass zum Beispiel Blühstreifen nur ein erster Schritt sein können. Gerade im Spätsommer sind sie zwar eine sehr wichtige Nahrungsgrundlage für Insekten, die Insektenpopulationen werden dadurch jedoch nur scheinbar in Ihrem Bestand gesichert.

Neben ausreichend Futter sind auch Brut- und Überwinterungsmöglichkeiten unbedingt notwendig, damit stabile Populationen sich nachhaltig entwickeln können. Extensiv genutzte Biotopstrukturen sowie auch Steinhaufen, Totholz, Rohbodenflächen, Hecken-und Baumstrukturen mit intakten Staudensäumen sind somit notwendig. Summa summarum Strukturen, die in unserer Landschaft in den letzten Jahrzehnten leider immer rarer wurden.

Darüber hinaus zeigen Flächenversiegelung durch Bebauung und Strassenbau, die augenfällig naturferne Gestaltung privater Gärten sowie öffentlicher Grünflächen deutlich, dass das Thema Artenschwund nicht alleine nur in der Landwirtschaft verortet ist.

  • Artenschwund stoppen und Biodiversität steigern liegt nicht in der Verantwortung einzelner, es muss in die Köpfe von uns allen, und von dort auch in die Füße, wie es in der Pfalz heißt.
  • Das Leuchtturmprojekt „Biodiversitätsregion Südpfalz“ muss auch Impulsgeber für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, für Kommunale Einrichtungen und z. B. Strassenbaubehörden sein, denn. wir alle, nicht nur Landwirte können und müssen dafür Sorge tragen, dass öffentliches aber auch privates Grün ökologisch und nachhaltig aufgewertet wird.
    Ziel wäre, dass es vor Ort keine rasengleich gemulchten Weg- und Strassenränder, naturferne Gehölz- und Staudenpflanzungen oder mit Steinen vollgelegte Gärten mehr gibt.
  • Wir brauchen auch eine Vision, einen Plan im großen Maßstab, wenn es den nicht teilweise schon in den Schubladen gibt. Artenschwund stoppen und Biodiversität steigern geht nur in einer strukturreichen, intakten Kulturlandschaft, in die die agrarisch intensiv genutzten Flächen integriert sind.

Der NV-S und die NV-S Stiftung „zum Schutz von Landschaft und Natur in der Südpfalz“ sind seit über 50 Jahren dabei, Flächen zu erwerben, um sie dann extensiv zu pflegen und zu entwickeln, um sie für den Arten- und Naturschutz zu sichern.

Ich weiss, dass der Flächenerwerb privater Institutionen oder Personen nicht von allen begrüßt wird. Um jedoch neben intensiv genutztem Ackerland auch extensive, strukturreiche Nischen, Inseln und Korridore zu schaffen, braucht es nun einmal Flächen. Wenn wir im Rahmen der „Biodiversitätsregion Südpfalz“ gemeinsam auch über das „wie“, das „wer“ und das „wann“ reden, dann ist es im Sinne des Naturschutzes wirklich ein Leuchtturmprojekt.

Das Ziel muss die Schaffung einer Struktur- und nischenreichen Kulturlandschaft sein, damit Flora und Fauna Nischen zum Überleben finden können. Das können wir nur alle gemeinsam leisten. Dies wird ein jahrelanger Prozess sein, bei dem das Ziel nicht aus den Augen verloren werden darf.

Wenn uns aber die Zielsetzung nicht gelingt, könnten wir in naher Zukunft auch in der Südpfalz eine Agrarwüste bekommen, wie sie teilweise in der Pfalz, in manchen Regionen Deutschlands oder Europas schon vorhanden ist. Die Sorge über eine solche Entwicklung ist in der Bevölkerung wahrnehmbar. Es bleibt zu hoffen, dass bei der weiteren Entwicklung der Landwirtschaft auch Platz für Alternativen zu immer größeren Betrieben und immer billigerer Produktion geschaffen werden, zum Beispiel durch angemessene Preise, Förderung regionaler Produkte. An diesen Aufgaben müssen vor allem Politiker arbeiten und Lösungen finden.

Wir sollten nur gemeinsam versuchen, im Sinne der Steigerung der Biodiversität unsere Umwelt in der Südpfalz so auszugestalten, dass die Prinzipien der Nachhaltigkeit und des Artenschutzes ausreichend Berücksichtigung finden. Dazu sehen wir in der „Biodiversitätsregion Südpfalz“ die Chance.

Abschließen möchte ich mit einer Bitte an Sie, sich beim nächsten Wahlkampf einfach einmal die Plakate der Parteien anzuschauen. Sie werden feststellen, egal welcher politischen Couleur das Plakat entstammt, als Hintergrundmotiv findet sich sehr häufig ein strukturreicher, ansprechender und schöner Landschaftsteil, der doch eigentlich ganz schönen Pfalz.

Das heißt für mich, die Leute wissen schon noch, um was es geht.
Das gibt doch Hoffnung.

Vielen Dank.


Rolf Wambsgans, Experte für Vögel und Säugetiere im NVS

Vortrag im Rahmen der Exkursion zu den Blühflächen zur Thematik

„Biodiversität mit Blick auf den Bestand an Vögeln, Kleinwirbeltieren und Insekten“

Lassen Sie mich mit einem Auszug aus der neuen „Rote Liste der Brutvögel von Rheinland-Pfalz“ beginnen:

„Besonders starke Rückgänge zeigen vor allem Arten, die an landwirtschaftliche Nutzflächen gebunden sind. Sie dominieren die Liste der bestandsbedrohten Arten. Nahezu alle agrarischen Nutzungsformen und Landschaften und deren Arten sind betroffen“ – Ende des Zitats –

Neben den großen Brutplatzverlusten durch die zunehmende Monotonisierung der Landschaft ist es auch der Nahrungsmangel, der in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten zu Bestandseinbrüchen in der heimischen Vogelwelt geführt hat.

Die neue Rote Liste von RLP führt Arten auf, von denen wir vor noch nicht all zu langer Zeit niemals geglaubt hätten, dass sie einmal gefährdet werden könnten.

Dazu zählen so allgemein bekannte Arten wie Mehl- und Rauchschwalben, Feld- und Haussperling oder die Feldlerche, aber auch weniger bekannte Arten wie der Bluthänfling, der Baumpieper, die Grauammer, der Feldschwirl, der Gelbspötter, die Klappergrasmücke und das Schwarzkehlchen. Auch das früher recht häufige Rebhuhn gilt heute als stark gefährdet.

Aber auch die Bestände anderer Wirbeltierarten wie die der meisten Amphibien, Reptilien und einiger Kleinsäugerarten sind dem gleichen Trend unterworfen.

Zum Teil noch besorgniserregender sieht es bei den Insekten aus. Lassen Sie uns zum Beispiel einen Blick auf die Situation unserer heimischen Schmetterlinge werfen: Von den in Deutschland beheimateten 184 Tagfalterarten steht mehr als die Hälfte auf der Roten Liste und ein Großteil davon unter der Rubrik „vom Aussterben bedroht”.

Und gerade die Insekten, deren Larven und kleine Spinnentiere bilden die Nahrungsbasis für unsere Singvögel und auch für die Hühnervögel wie Fasanen, Rebhühner und Wachteln. Selbst die Körnerfresser unter unseren Vogelarten sind bei der Jungenaufzucht auf die proteinreiche Insektennahrung angewiesen.

Diese Blühflächen und Blühstreifen sollen die Insektenfauna fördern und damit die Bestandsentwicklung unserer Vogelarten im positiven Sinne beeinflussen.

Im Herbst, wenn die Zugvögel bereits in ihre Winterquartiere abgereist sind und auch im Winter sind die Samen dieser Wildpflanzen eine wichtige Nahrungsquelle für die daheimgebliebenen Stand- und Strichvögel. Vor allem Finken und Ammern sind darauf angewiesen. Auch Durchzügler und Wintergäste werden davon profitieren.

Das Projekt wird von einem Monitoring begleitet an dem der Naturschutzverband Südpfalz insbesondere bei den Vogelarten mitwirkt.

Es wird nicht leicht sein, eine Erfolgsmessung durchzuführen, weil ja nicht nur die Arten, die direkt vor Ort brüten, sonder auch solche Arten, die bei der Futtersuche weite Strecken zurücklegen zu berücksichtigen sind. Ich denke dabei an Mehl- und Rauchschwalben und an Mauersegler, die von den umliegenden Orten anreisen um über den Blühflächen fliegende Insekten zu erbeuten. Eine langfristig gebietsumfassende Kontrolle wird erforderlich werden.

Der NVS begrüßt diese Initiative als ersten wichtigen Schritt im gemeinsamen Bemühen, dem Artenschwund in unserer südpfälzischen Heimat zu begegnen. Weitere Schritte sollten folgen. Wünschenswert wäre die Vernetzung dieser Flächen untereinander und die Anbindung an andere Landschaftselemente wie Waldränder, Feldgehölze und Heckensäume.

Wenn das Projekt erfolgreich sein soll, müssen Flächen aus der intensiven Nutzung herausgenommen werden, um den bodenbrütenden Vögeln Nistmöglichkeiten anzubieten (Lerchenfenster). Die meisten unserer Feld- und Wiesenvögel sind Bodenbrüter.


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